WM - Geschichten

20.10.2022 18:21
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WM 1962 in Chile



SPIEL OHNE REGELN
Als brutalstes Spiel der WM-Geschichte gilt eine Vorrunden-Partie vom 2. Juni 1962, als sich Chilenen und Italiener komplett vergaßen. Schuld sollen zwei Journalisten gewesen sein.
Wenn früher etwas besser war, da sind sich die Protagonisten älterer Generationen einig, dann zwar weder Trainings- noch Spielbedingungen und schon gar nicht die Bezahlung, sehr wohl aber das weniger präsente Beäugen der Öffentlichkeit - und all derer, die dazugehören wollen. Dass es aber auch schon im analogen Zeitalter zu einem waschechten “Shitstorm” kommen konnte, mussten die Italiener bei der WM 1962 am eigenen Leib erfahren. Der Reihe nach.
Als die beiden renommierten italienischen Journalisten Antonio Ghirelli und Corrado Pizzinelli schon vor der WM nach Chile reisten, staunten sie nicht schlecht. Hier herrschten gänzlich andere Verhältnisse als in Europa. Eines nächtlichen Ausflugs in der Hauptstadt Santiago machten sie schließlich derart schlechte Erfahrungen, dass sie sich diese nicht nur im engsten Kreis von der Seele meckerten, sondern sie tatsächlich in aller Deutlichkeit abdrucken ließen.
“Die Telefone funktionieren nicht, die Verbindung nach Europa kostet ein Arm und ein Bein, Taxis sind so selten wie treue Ehemänner und ganze Viertel haben sich der Prostitution hingegeben. Dieses Land und seine Leute sind elend und rückständig und auch noch stolz darauf.” Der maximal frustrierte Erfahrungsbericht schlug ein wie eine Bombe.
Und damit trotzdem nicht so sehr wie das verheerende Erdbeben von Valdivia 1960, das die Hälfte aller WM-Stätten unbespielbar gemacht und Chile ganz allgemein in eine Krise gestürzt hatte. Die Verleumdung (vor allem die ihrer Frauen) durch die italienischen Journalisten packte die Chilenen daher auch bei der Ehre. Ihre eigenen Schreiberlinge wurden derweil nicht müde, die Beleidigungen immer wieder zu wiederholen, sie noch auszuschmücken und vor Chiles zweitem Gruppenspiel gegen Italien für eine Stimmung zu sorgen, die so feindselig war, dass in einer Bar in Santiago ein argentinischer Reporter zusammengeschlagen wurde, den anwesende Chilenen für einen der beiden Italiener gehalten hatten. Diese waren nach etlichen Drohungen längst abgereist.
Wer hingegen in der Andenrepublik geblieben war, musste feststellen, dass sich Ghirelli und Pizzinelli weitgehend an die Wahrheit gehalten hatten - und der Fußball war kaum schöner als die Lebenslage. Nach zuvor torreichen und offensiv gespielten Weltmeisterschaften bot die WM 1962 bloß destruktiven Defensivfußball, der so rau und hässlich war, dass die FIFA Brasiliens malträtiertem Hoffnungsschimmer Garrincha dessen Tätlichkeit im Halbfinale nachsah und ihn im Finale einfach spielen ließ. Schließlich war schon Weltattraktion Pelé verletzungsbedingt aus dem Turnier geschieden.
Das hässlichste Spiel der bisher wohl hässlichsten WM - es kam, wie es kommen musste - ereignete sich am 2. Juni 1962 zwischen Chile und Italien. Feindseligkeit lag in der Luft. Zwar brachten die italienischen Spieler Blumensträuße mit aufs Feld, um die angestachelten Zuschauer zu besänftigen, die Gestecke flogen allerdings umgehend zu ihnen zurück. Und waren somit die mit Abstand harmlosesten Wurfgeschosse, derer sich die Italiener erwehren mussten. Und das waren erst die externen Faktoren.
“Wir wussten, dass ihre Spieler keine Schuld an der Situation trugen”, gab Chiles Ausnahme-Angreifer Leonel Sanchez später zu, “doch das war unsere einzige Möglichkeit, uns zu wehren”. Und mit “das” meinte er Zustände wie auf einem Schlachtfeld, besonders gegen Spieler wie Humberto Maschio, die eigentlich aus Südamerika kamen, nach einem Wechsel in die Serie A jedoch für Italien aufliefen und in der chilenischen Presse zu “Verrätern” hochstilisiert wurden.
Nachdem Maschio Sanchez in einem unübersichtlichen Getümmel angegangen war, streckte der Sohn eines Boxers den Wahlitaliener nieder und brach ihm die Nase. Maschio konnte weiterspielen, Sanchez durfte. Der englische Schiedsrichter Ken Aston war wirklich nicht zu beneiden gewesen. Übersicht? Unmöglich. Und Aston war immerhin über 1,90 Meter groß.
Das erste Foul hatte es schon nach zwölf Sekunden gegeben und nicht viel später bereits mehrere, die selbst für damalige Verhältnisse einen Platzverweis hätten nach sich ziehen müssen. Auch jenes, wegen dem Giorgio Ferrini die Sicherungen durchbrannten: Der Italiener wurde in der achten Minute als erster des Feldes verbannt, das er sich lange Zeit zu verlassen weigerte. Pures Chaos. Sanchez kam auch mit einem Faustschlag gegen Mario David davon, der für eine eingesprungene Blutgrätsche später runtermusste.
Am Ende spielten neun Italiener gegen elf (!) Chilenen, die 2:0 gewannen und wohl auch von einem damals noch recht gängigen Heimvorteil profitierten. Denn nur ihre Spiele wurden bei diesem hässlichen Turnier noch halbwegs ordentlich besucht, das ansonsten zu einem absoluten Reinfall geworden wäre. Während die Squadra Azzurra bereits nach der Vorrunde die Heimreise antreten musste, schaffte es der Gastgeber immerhin bis ins Halbfinale gegen den späteren Sieger Brasilien.
Allein durch ihren Auftritt gegen Italien waren jedoch auch die Chilenen in den Augen der Fußballwelt zu Verlierern geworden. Von mehreren Seiten wurden grundlegende Änderungen gefordert, BBC-Reporter David Coleman ließ sich vor der Ausstrahlung der schockierenden Zusammenschnitte im englischen Fernsehen gar zu einer bald legendären Warnung hinreißen.
“Was Sie nun sehen werden, ist die dümmste, widerwärtigste und schändlichste Darbietung - vielleicht in der Geschichte des Fußballs. Es war das erste Aufeinandertreffen dieser beiden Mannschaften und wir hoffen, dass es auch ihr letztes sein wird.”
Diesen Gefallen taten die Chilenen und Italiener Coleman nicht, schon bei der WM 1966 in England kam es zum (verhältnismäßig friedlichen) Wiedersehen. Stattdessen sorgte etwa das rüde Duell zwischen den Engländern und Argentinien für negative Schlagzeilen, als der argentinische Kapitän Antonio Rattin einen Platzverweis erhielt, der ihm jedoch nicht wirklich verständlich gemacht werden konnte.
Schiedsrichter Aston, der nach der “Schlacht von Santiago” nie mehr ein WM-Spiel pfiff und vier Jahre später ins Komitee gewechselt war, wollte daraufhin endlich handeln und ließ sich auf seiner Heimfahrt von einer Ampel inspirieren. Bei der WM 1970 feierten seine gelben und roten Karten Weltpremiere.

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20.10.2022 18:54
#2
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WM 1974 in Deutschland



WIE HOLLAND FAST DIE WM 1974 VERPASSTE
Johan #Cruyff und die niederländische Nationalmannschaft verzauberten bei der WM 1974 die Fußballwelt. Der VAR hätte das gar nicht zugelassen.
Gänzlich unbekannt war der "totale Fußball", selbst in Zeiten weitaus geringerer globaler Vernetzung, im Herbst 1973 ja nun wirklich nicht. Soeben hatte Ajax Amsterdam mit seinen manchmal fast schon provokant flexiblen Positionsrochaden den dritten Landesmeister-Cup in Folge eingefahren, ehe sein fußballerisches Aushängeschild Johan Cruyff loszog, um den FC Barcelona nachhaltig zu verändern.
Die Belgier wussten also, was auf sie zukommen würde, als sie ihrem Nachbarschaftsrivalen im letzten Qualifikationsspiel für die WM 1974 direkt gegenüberstanden. Am 18. November 1973 in Amsterdam sahen weit über 50.000 Zuschauer mit an, wie sich die Roten Teufel lediglich auf ihre bewährte Defensive besannen und sich am eigenen Strafraum regelrecht verbarrikadierten.
Den Niederlanden, die sich seit 1938 für keine WM-Endrunde mehr qualifiziert hatten, reichte ein Remis, um in (West-)Deutschland dabei zu sein - so wie im ersten Duell in Antwerpen, das 0:0 endete. Obwohl Jean Thissen für Belgien, das vom späteren Champions-League-Sieger mit Olympique Marseille Raymond Goethals trainiert wurde, den Pfosten getroffen hatte.
Die beiden Spiele gegen die anderen Gruppengegner Norwegen und Island hatten sowohl die aufstrebende Fußballmacht in Orange als auch der EM-Dritte aus Belgien gewonnen - Cruyff und Co. hatten dabei allerdings weitaus mehr Tore erzielt.
Das verlangte den Belgiern, die anders als die Elftal noch kein einziges Gegentor kassiert hatten, freilich Respekt ab. Doch das Vertrauen in die eigene Abwehrkunst war gegeben. Da hätte den Niederlanden, die damals noch nicht vom legendären Rinus Michels, sondern vom Tschechoslowaken Frantisek Fadrhonc trainiert wurden, auch keine Positionsrochade etwas gebracht.
Kein Cruyff, kein Rensenbrink, kein Rep (der eine Riesenchance ausließ) vermochte es, das belgische Bollwerk zu knacken, das irgendwann aber wohl oder übel auch ein eigenes Tor erzielen musste. Dafür benötigte es jedoch eine Menge Fantasie. Gut für die Goethals-Elf, dass der rechte Außenrist ihres Kapitäns Paul van Himst über eine Menge Fantasie verfügte.
In der 89. Minute, als es beinahe schon danach ausgesehen hatte, als ob Belgien mit dem 0:0 zufrieden wäre, schnitt van Himst eine Freistoßflanke so an, dass sie außerhalb der Reichweite von Oranje-Keeper Piet Schrijvers am zweiten Pfosten bei Jan Verheyen landete. Dieser schoss den Ball ins verwaiste niederländische Tor und drehte jubelnd ab.
Die Elftal hatte auch in diesem Moment auf Abseits gespielt, das allerdings gleich mindestens zwei Niederländer eindeutig aufgehoben hatten. Und doch kassierte Schiedsrichter Pavel Kazakov den Treffer tatsächlich ein, was dem Spielverlauf vielleicht angemessen, aber schlicht und ergreifend eine grobe Fehlentscheidung war.
So blieb es erneut beim 0:0 - und die Belgier scheiterten schließlich in einer WM-Qualifikation, in der sie kein einziges Gegentor hingenommen hatten. Stattdessen fuhr Holland zur WM, wo Cruyff und all die anderen wieder viele Tore schossen und einen mehr als nachhaltigen Eindruck hinterließen.
Zwar hätten sich die Niederländer im Finale gegen Deutschland wohl am liebsten gewünscht - als Bernd Hölzenbein den Elfmeter zum 1:1 herausholte -, dass es zu dieser Zeit schon einen VAR gegeben hätte. Aber wenn sie ehrlich sind … wahrscheinlich lieber nicht.

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21.10.2022 13:01
#3
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Ernst Willimowski , der deutsche Wunderstürmer





Ernst #Willimowski war einer der besten Stürmer, die je für die deutsche Nationalmannschaft spielten - dabei hatte er einst auch gegen sie getroffen. Über einen Mann, der in jeder Lebenslage nur schwierig zu greifen war.
Am Abend nach dem Spiel seines Lebens schlenderte Ernst Willimowski gedankenversunken durch die Gassen von Straßburg. Als Verlierer? Nun, jedenfalls durfte er nach dem Achtelfinale bei der WM 1938 wie auch alle anderen Polen kein Spiel mehr bestreiten. Doch mit seinen vier Toren gegen Brasilien hatte der gerade einmal 21-Jährige für derartige Furore gesorgt, dass ihn die Sieger einfach in die Spelunke mitschleiften, wo sie ihren Erfolg feierten.
Dann begann die dritte Halbzeit, in der der Torjäger als ebenso stark galt wie in den ersten beiden. Die fremden Sambaklänge taten ihr Übriges, als sich das Schlitzohr auf einen Tisch stellte, die Aufmerksamkeit auf sich – und seine Schuhe auszog. “Polska”, sagte er und zeigte auf seinen einen Fuß, an dem wenig überraschend fünf Zehen zu sehen waren. “Brazil”, grunzte er anschließend vor Lachen und präsentierte seinen anderen Fuß, der tatsächlich sechs Zehen zählte. Das verdutzte die Brasilianer noch mehr als seine vier Tore.
Tore, Zehen – die hatte Ernst Willimowski so viele wie Namen. 1916 geboren als Ernst Otto Pradella, Sohn deutscher Eltern im schlesischen Kattowitz, das wenig später polnisch wurde. Er besuchte eine deutsche Schule und dann eine polnische, hieß mal Ernst und mal Ernest, mal Pradella, mal Wil(l)imowski – mit einem oder zwei “l”. Das war der Name seines Stiefvaters, eines polnischen Patrioten. Meistens aber nannten ihn die Leute einfach “Ezi”. Und Ezi wechselte vom “deutschen” 1. FC Kattowitz zu Ruch Wielkie Hajduki, dem Stolz des polnischen Fußballs, nach Chorzow. Eine Gratwanderung.
Schlesien verließ Ernst erst, so sagte er stets, als er es während des Krieges musste, um in Deutschland weiter Fußball spielen zu können. Der Fußball war die Konstante im Leben eines hin- und hergerissenen Mannes, der mit links und mit rechts schoss, der sehr religiös war und doch ein Säufer, der Pole war und Deutscher. “Er hat sich nie viel aus Nationalitäten gemacht”, verriet seine Tochter Sylvia einmal. “Mal war er der Pole, dann wieder der Deutsche – so wie er eben am besten durchkam.”
Als Ezi, noch für Polen, vier Tore gegen Brasilien schoss – er hätte auch das fünfte Tor, einen Elfmeter, erzielen können und wäre mit dieser Leistung bis heute nicht übertroffen worden -, wurde er endgültig ein Star seiner Zeit. Serienmeister mit Ruch, eigentlich immer mehr Tore als Spiele und dann war da diese gefürchtete Schlitzohrigkeit, auch neben dem Platz. Rote Haare, Segelohren und ein Grinsen übers ganze Gesicht. Einem frechen Streich und dem Zapfhahn nie abgeneigt. Willimowski war bekannt wie ein bunter Hund. Und ebenso berüchtigt.
Mit Ezi, einem Wandervogel, holten sich Vereine zwischen Polen und Deutschland meistens Probleme ins Haus. Aber sie holten sich auch Tore, so viel stand fest. 1940/41, im Trikot des PSV Chemnitz, schoss der Rotschopf in 45 offiziellen Saisonspielen ganze 107 Tore. Laut “RSSSF” in der gesamten Geschichte des Fußballs der bisherige Bestwert.
Sepp Herberger hatte Ezi bereits 1938 gegen Brasilien gesehen und sich diesen Ausnahmestürmer insgeheim in seine zwangsfusionierte Mannschaft (“Deutsches Reich”) gewünscht. Die politische Situation machte es, nach 21 Toren in 22 Spielen für Polen, ab 1941 möglich. So wurde Ernst Willimowski zum ersten und einzigen Spieler, der gegen und für Deutschland traf. In acht Länderspielen zwischen 1941 und 1942 ganze 13-mal.
“Der Ernst hat mehr Tore gemacht, als er Chancen hatte, er war ein Wunder im Ausnutzen von Chancen”, schrieb einst ein gewisser Fritz Walter, der dem “für mich größten aller Torjäger” den einen oder anderen Treffer vorbereitete. Wer das tat, war aber eigentlich egal. Ezi, über dessen Spiel nicht nur gegen Brasilien als “zirkusgleich” geschrieben wurde, der einen hervorragenden Antritt hatte, aber nie gerne köpfen wollte, dribbelte und schoss den TSV 1860 München 1942 als Torschützenkönig zum damaligen Tschammer-Pokal – der erste nationale Titel der Löwen.
Die WM 1942 hätte seine werden können, 1946 vielleicht auch. Doch die wohl besten Jahre seines Spielerlebens fielen dem Krieg zum Opfer, während dem Willimowski ohnehin damit beschäftigt war, seine in Ausschwitz gelandete Mutter vor den Nazis zu retten – weil sie eine Beziehung mit einem Juden eingegangen war. Es gelang Ezi mit der Hilfe des berühmten Luftwaffe-Piloten Hermann Graf, den er als Torwart der Soldaten-Elf “Die roten Jäger” kennengelernt hatte.
Zu einem Länderspiel war Willimowski 1942 einmal in der Uniform eines Panzerjägers angereist. Darüber, was er in den letzten beiden Kriegsjahren erlebt hatte, sprach und schrieb er allerdings nie.
Nach Kriegsende wurde Ezi Sportlehrer. Mal hier, mal da, wie im Fußball – oft nur für geringe Güter oder ein Dach über dem Kopf. Allerdings immer in Deutschland. In Polen wurde der Mann, dessen zehn Tore in einem Ligaspiel dort bis heute nicht übertroffen sind, als Verräter betrachtet – und aus sämtlichen Rekordbüchern gestrichen. Als hätte er nie existiert. Während der WM 1974 in Deutschland hatte Ezi der polnischen Auswahl einmal einen Besuch abstatten wollen, was ihm deren Verband jedoch strikt verwehrte.
Deutschlands WM 1954 hatte er, der damals schon 38 war, wie einige andere Chancen, die oft auch am Alkohol scheiterten, verpasst. Das habe Ernst lange gegrämt, wie Tochter Sylvia erzählte. Trotzdem spielte er, stets mit einem Heiligenmedaillon im Stutzen, noch bis weit in seine 40er und gilt als einer von denen, die insgesamt über 1000 Tore erzielt haben sollen. Geschichten, die er wieder und wieder auch in seinem Restaurant erzählen musste, das er im Leben nach dem Sport lange Jahre in Karlsruhe führte.
Dort war Ezi schließlich sesshaft geworden, der in seine über alles geliebte schlesische Heimat nie mehr zurückkehren sollte. Zumindest nicht Zeit seines Lebens, das im Sommer 1997 nach 81 Jahren endete. Erst danach konnte sich die polnische Sportpolitik überwinden, Wil(l)imowski samt Verdienstmedaille in ihre Hall of Fame aufzunehmen. Und erst danach fand zwar nicht mehr er den Weg in die Heimat, aber die Heimat ihren Weg zu ihm. Sein Grab in Karlsruhe, wo Wilimowski mit einem “l” eingraviert ist, pflegen bis heute die Fans von Ruch Chorzow.

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23.10.2022 08:05 (zuletzt bearbeitet: 23.10.2022 08:09)
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Edson Arantes do Nascimento erhielt bereits Kindesalter den Spitznamen Pelé. Und unter diesem Namen kennt die Welt den größten Fußballspieler aller Zeiten. Sein Stern ist bei der WM 1958 in Schweden aufgegangen. Pelé ist mit 17 Jahren, 8 Monaten und sechs Tagen jüngster Torschütze in einem WM-Finale. Im Halbfinale gegen Frankreich (5:2) war er mit 3 Toren der Matchwinner. Im Finale gegen Schweden (ebenfalls 5:2) erzielte er 2 Tore.





Pelé feiert heute seinen 82. Geburtstag.

Auch Ungarn feiert heute einen Jahrestag. Heute vor 66 Jahren begann der Volksaufstand gegen die Sowjetunion. Ferenc Puskás, der damals beste europäische Fußballer verließ das Land und spielte nach Ablauf einer vom ungarischen Fußballverband veranlassten 18-monatigen FIFA-Sperre ab 1958 in Spanien für Real Madrid. Mit dieser Mannschaft gewann er drei Mal den Europapokal der Landesmeister sowie mehrfach die spanische Meisterschaft und wurde in sämtlichen Wettbewerben wiederholt Torschützenkönig. Nachdem er die spanische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, spielte er bei der Weltmeisterschaft 1962 für die Nationalmannschaft Spaniens.

TRÄUMT NOCH IMMER VON DEN PHILIPPINEN


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23.10.2022 13:21
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Ronaldo, Weltmeister 2002




DAS BAUERNOPFER

1997 wechselte #Ronaldo, das “Phänomen”, gegen seinen Willen zu Inter Mailand. Was nicht erst der Anfang vom Ende war, sondern bereits das Einbiegen auf dessen Zielgerade.
Jedes Spiel ein Tor, dabei trifft er sogar 20-mal nur Aluminium. Das ist seine Quote, die ganze Saison lang. Ende 1996 wird Ronaldo Luis Nazario de Lima zum Weltfußballer gekürt für ein Jahr, in dem er größtenteils 19 gewesen war. Ein Teenager, der noch Zahnspange trägt, der aber auch spezielle Schienbeinschoner aus Carbon trägt, weil man ihn auf fairem Wege kaum stoppen kann.
Ein Jahr zuvor war Ronaldo bereits als teuerster Spieler der Welt nach Katalonien gekommen - und hatte den FC Barcelona beinahe im Alleingang von einer lediglich relativ guten zu einer der besten Mannschaften Europas gemacht. In den USA hätte er noch nicht einmal Bier trinken dürfen. Der “Außerirdische” - so tauft ihn die spanische, nein die Weltpresse - stellt mit seiner Geschwindigkeit, seiner Dribbelstärke und seinem Zug zum Tor fußballerisch ein neues Level dar. Der Superstürmer 4.0. Was leider nicht nur sportlich zu verstehen war.
Die Wunder-Saison 1996/97, die quasi mit Olympia begonnen hatte und mit dem Triumph bei der Copa America endete, sie bleibt Ronaldos einzige bei Barca. Der Außerirdische zieht weiter. Er muss. Denn bei ihm geht es nicht mehr nur um Fußball, zumindest nicht um den, den man bisher zu kennen glaubte. Mit den unglaublichen Leistungen seines Schützlings hatte ein Team aus zwielichtigen Gestalten, die sich Manager und Berater schimpften, mehr oder weniger gerechnet - man hatte, in den ersten Jahren nach dem Bosman-Urteil, nüchtern kalkuliert.
Schon als “R9” aus Brasilien nach Eindhoven gewechselt war, hatten sie stets an den nächsten, an den übernächsten Schritt gedacht. Und an mehr, an immer mehr. Mehr Ruhm, mehr Macht, mehr Geld. Selbst wenn dafür Steroid-Behandlungen “nötig” waren, weil Ronaldo zunächst recht schmächtig dahergekommen war. Die Muskulatur ächzte.
Sportlich lief es in Barcelona genial, wieso sollte der Weltfußballer die Blaugrana nach nur einem Jahr schon wieder verlassen – was er selbst gar nicht wollte? “Ich wollte bleiben”, verriet er “DAZN” Jahre später, “doch es lag nicht in meinen Händen”. Wegen mehr Ruhm, wegen mehr Macht und wegen mehr Geld. Ronaldo war eine Investition, eine heiße Aktie - und noch ein halbes Kind.
Der FCB stellte sich schließlich auch selbst ein Bein, wollte nach nur einer Saison unbedingt einen neuen Vertrag aufsetzen: Zehn Jahre sollte die revolutionäre Nummer neun für Barca spielen. Die Katalanen ließen sich von ihrem Optimismus blenden und wurden - da ging es ihnen wie Ronaldos Gegenspielern - von den hohen Forderungen aus dessen Lager auf dem falschen Fuß erwischt. Plötzlich war Barca raus, und Inter Mailand, bedürftig und willig, zog die teure Ausstiegsklausel. Der nächste Weltrekord-Transfer. Ronaldo selbst wollte eigentlich nur spielen, das tat er nun eben in der Serie A.
Angeblich hatte auch Ronaldos Über-Sponsor Nike darauf gedrängt, dass die Zelte in Barcelona schon nach einem Jahr abgerissen werden - in der Serie A, der damals besten Liga der Welt, ließ sich nämlich noch mehr Geld umsetzen. Der perfide Plan geht erst einmal auf. Dank eines hochbegabten Menschen, der wie eine Maschine zu funktionieren hatte, deren körperliche und geistige Gesundheit lediglich in Toren und Millionen gemessen wurde.
Superstürmer 4.0, ein Produkt branchenfremder Finanzschergen. Ein im Fußball nie dagewesenes Vermarktungsprojekt. Aber auch der Spieler Ronaldo war seiner Zeit voraus: Weder die Verteidigungsreihen noch der Schutz durch die Schiedsrichter waren bereit für die Antwort des Fußballs auf Michael Jordan.
Natürlich ist unklar, ob Ronaldos Karriere anders verlaufen wäre, wenn er in Barcelona verlängert hätte. Denn schon dort hatten Journalisten gewarnt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis die große Show, bis das große Abenteuer Ronaldo ein jähes Ende finden würde. Zu sehr häuften sich die üblen Tritte verzweifelter Gegenspieler, die sich einfach nicht anders zu helfen wussten. Die Patellasehne hatte sich schon in Eindhoven gemeldet, als der eigentlich schlaksige Junge auf einmal wie ein eleganterer Ivan Drago über den Rasen dominierte. Ronaldo bröckelt. Die Zeitbombe tickt.
Bereits in seiner ersten Saison in der rauen Serie A verletzt sich “Il Fenomeno” mittelschwer, da ist er gerade 21 Jahre jung. Gleichzeitig führt er einen permanenten psychischen Zweikampf. Wie ein Besessener bewegt sich der schüchterne Brasilianer über den Platz, sobald er diesen jedoch verlässt, spürt Ronaldo den Druck. Vor dem WM-Finale 1998 muss Zimmerkollege Roberto Carlos dem Hoffnungsträger einer ganzen Nation nach einem Zusammenbruch die Zunge aus dem Hals ziehen. Stunden später läuft die Marke “R9” im Endspiel trotzdem auf. Wieder soll Nike ein Machtwort gesprochen haben. Es geht um ihn, aber es geht nicht um ihn.
Am 21. November 1999, das Knie resigniert an einem windigen Herbstsonntag in San Siro, ist der Weg zu Ende. Auch wenn das womöglich beeindruckendste Comeback der Fußball-Geschichte 31 Monate später damit endet, dass Oliver Kahn mit starrem Blick am Torpfosten lehnt. Ronaldo war zwar wieder da, das Phänomen aber kehrte nicht mehr zurück.
Was der dreimalige Weltfußballer seiner Kundschaft bereits in jungen Jahren geboten hatte, war so sensationell, dass noch lange Zeit davon geschwärmt werden wird. Die traurige Wahrheit ist aber, dass sich sein ganzes Potenzial nie vollständig entfalten konnte. Ronaldo - getrieben, aber nicht unterstützt - wurde regelrecht verheizt.
Mittlerweile sind Profifußballer weitaus besser auf Kälte, Kalkül und alle Arten von Druck im modernen Business vorbereitet. Einen anfänglichen Ausreißer muss es für solche Entwicklungen wohl immer geben. Der den Weg ebnet, der aber auch einen hohen Preis dafür zahlt.
Obwohl manche Aspekte längst nächste Dimensionen erreicht haben, bleibt Ronaldos Fall einzigartig. Er war zu früh zu groß. Er musste herhalten als Einzelner, als nächstes Level, als neuer Markt, als bis dato größtes Produkt. Herhalten bis hin zum Spott über sein auch krankheitsbedingtes Gewicht.
Ronaldo - also der Fußballer, nicht das Produkt - wurde trotzdem zur Ikone. Ganz gleich, ob er unterm Strich auch ein tragisches Bauernopfer war, das eine Epoche im Fußballzirkus einläuten musste, in der der Fußball nicht mehr unangefochten an erster Stelle steht. Hätte man den mal einfach nur kicken lassen. Was Ronaldo dennoch daraus gemacht hat, ist wahrscheinlich noch verrückter als das, was mit ihm gemacht wurde.

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23.10.2022 13:40
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Das Flugzeugunglück der Busby Babes


Bobby Charlton, Das Versprechen

Mit 20 Jahren überlebte Bobby Charlton das Flugzeugunglück der “Busby Babes”. Die folgenden zehn wurden vor allem für ihn zu einer Mission.

Gegen Real Madrid reichte im Frühjahr 1957 schon ein 2:2, um bei Don Santiago Bernabeu Eindruck zu schinden. Gut, mehr noch als das Ergebnis im Halbfinal-Rückspiel, durch das die Königlichen trotzdem wieder ins Endspiel des Europapokals der Landesmeister einzogen, waren es die Leidenschaft und vor allem der spielerische Mut dieser jungen Mannschaft von Trainer Matt Busby, was den spanischen Patron beeindruckte. Nachhaltig beeindruckte.

Da war etwa Duncan Edwards, ein physisch imposanter Läufer, der mit beiden Füßen eigentlich alles konnte. Oder Torjäger Tommy Taylor, der sogar spielerisch überzeugte und trotzdem diesen unvergleichlichen Instinkt hatte. Flügelstürmer David Pegg, den man als Nachfolger Tom Finneys sah; Verbindungsspieler Eddie Coleman, der sogar seinen Mitspielern zu trickreich war; Kapitän Roger Byrne, der die Abwehr zusammenhielt. Und Nesthäkchen Bobby Charlton, der als dynamischer Halbstürmer für Furore sorgte.

Mit seiner Ausnahme waren sie, nur zehn Monate nach dem 2:2 gegen Real, alle tot.

Das tragische Flugzeugunglück von München löschte in erster Linie 23 Menschenleben aus, jedoch auch den Großteil einer Mannschaft junger Himmelsstürmer, denen nicht nur Bernabeu zugetraut hatte, den europäischen Fußball in absehbarer Zeit zu dominieren. Wie es neun Jahre zuvor der großen AC Turin ergangen war, so endeten auch die sogenannten “Busby Babes” in den Trümmern eines Flugzeugs – nachdem sie gerade ins Halbfinale des Europapokals zurückgekehrt waren.

Torhüter Harry Gregg hatte sich Manchester United erst frisch angeschlossen gehabt, als er im Schneetreiben von München zu einer Ein-Mann-Rettungscrew wurde. Samt ihren Sitzen schleifte er Charlton und den eleganten Angreifer Dennis Viollet ein gutes Stück vom Wrack weg, in der Sorge, es könnte noch explodieren. Aber auch in der Annahme, dass er zwei weitere Kameraden verloren hatte. Doch Charlton und Viollet waren nur bewusstlos. Sie hatten überlebt, weil sie kurz vor dem wiederholten Startversuch die Plätze mit Taylor und Pegg getauscht hatten, die es weiter hinten im Flugzeug für sicherer hielten.

Nur drei Wochen später stand Bobby Charlton schon wieder auf dem Platz. Er hatte lediglich ein paar Schnittwunden davongetragen, die seelischen waren da weit schlimmer gewesen. Ganz zu schweigen von der Symbolik, die nun auf diesem jungen Mann lastete. Was vom großen Versprechen, das die Busby Babes gewesen waren, noch übrig geblieben war, das war in erster Linie er. Um Charlton herum wollte Busby, der gerade so ebenfalls überlebt hatte, schweren Herzens seine neue Mannschaft aufbauen. Das sollte dauern.

Aber es gab da einen Mann, der diesen Prozess herzlich gerne beschleunigen wollte: Santiago Bernabeu. Der Real-Präsident setzte wirklich alle Hebel in Bewegung. Er bot United sogar tatsächlich an, seinen Ausnahmespieler Alfredo di Stefano für eine Saison auszuleihen. Anders als jenes der Trainerstelle in Madrid hätte Busby dieses Angebot angenommen – doch die FA schob dem Deal den Riegel vor. In Charlton hatte Busby ohnehin seinen eigenen di Stefano, der die nächste Generation seiner Babes anführte. Aber Bernabeu hatte ja noch andere Ideen.

In den folgenden Jahren organisierte er in Manchester unter anderem fünf hochgejazzte Freundschaftsspiele, die 1959 mit königlichen Machtdemonstrationen begonnen hatten – und 1962 mit einem zweiten United-Erfolg in Serie endeten. Ohne sich großartig daran zu stören hatte Bernabeu eine gewisse Wachablösung vorangetrieben. Am Ende der Saison 1962/63 feierten die Red Devils den FA Cup, ihren ersten Titel seit der Tragödie.
Die große Show in fünf Akten: Harry Gregg wirft sich einem Schuss von Ferenc Puskas entgegen. – Bild: dailymail.co.uk

Während die Generation di Stefano in Madrid allmählich abtrat, war Charlton zu dem Spieler geworden, auf den sie in Manchester so sehr gehofft hatten. Vielleicht war er kein ganz so genialer Totalfußballer, aber mindestens in Sachen Haarausfall kam Bobby dem Argentinier schon bald ziemlich nahe. Auch in vielem mehr. Und mit Verstärkungen wie Denis Law aus Schottland oder dem Nordiren George Best kam Jahr für Jahr auch der Erfolg ein Stückchen näher. Charlton ordnete ihm alles unter. Was mit Lebemann Best, der das mitunter anders anging, für Konflikte sorgte.

1966, nach der umjubelten Meisterschaft im Vorjahr, schien es dann endlich soweit zu sein. Busbys neugeformte Mannschaft stand tatsächlich wieder im Halbfinale des Landesmeister-Cups, in dem sie ausgerechnet wieder nach Belgrad fliegen musste, von wo aus sie acht Jahre zuvor in München gelandet war. United erlitt eine Niederlage, von der es sich im Rückspiel nicht mehr erholen sollte. Im möglichen Traumfinale hätte die Mannschaft gewartet, die Bernabeu in Madrid neu aufgebaut hatte.

Doch neben Busby war vor allem Charlton auf einer Mission, von der er sich nicht abbringen ließ. Im folgenden Sommer führte er die englische Nationalmannschaft bei der Heim-WM zum bis heute einzigen Titel, seine Leistungen wurden daraufhin sogar mit dem Ballon d’Or prämiert. Mit einer Ausnahme hatte Charlton nun alles erreicht. Aber das war eben nicht irgendeine Ausnahme.

Um den Henkelpott zu gewinnen, hatte man damals noch zuerst Meister werden müssen. Klar, das war ja schließlich der Name dieses Wettbewerbs. 1966 waren die Red Devils gescheitert, doch 1967 war es wieder soweit. Und 1968 erst. Wieder Halbfinale. Diesmal gegen Real Madrid. Mit einem 1:0-Vorsprung aus dem Hinspiel, was für einen Auftritt in Bernabeus Stadion aber eigentlich kein Vorsprung war. Doch mit dieser Leidenschaft und diesem spielerischen Mut, mit dem sie einst sein Fußball-Herz erobert hatten, erreichten die Red Devils tatsächlich ein 3:3. Finale.

“Wenn uns schon irgendjemand schlagen musste, so bin ich froh, dass sie es waren”, gab sich Bernabeu als eleganter Verlierer. Und beinahe noch besser passte es ins Skript, dass United – als erste englische Mannschaft – den großen Europapokal im Wembley-Stadion gewinnen konnte. Doch das war leichter gesagt als getan. Wenn Real Madrid die Mannschaft der 1950er gewesen war, so war der Finalgegner der Red Devils wohl die Mannschaft der 1960er Jahre. Benfica – um WM-Torschützenkönig Eusebio.

Wembley erlebte auch einen Abnutzungskampf. Längst hingen Charltons Resthaare, die er verzweifelt noch über sein Haupt zu kämmen versuchte, zerzaust vom Seitenscheitel herab. Nach einer torlosen ersten Hälfte zählte zu Beginn der zweiten aber nur der Schädel an sich. Mit einem fulminanten Kopfball brachte Charlton United in Führung – und sprang, getrieben von Euphorie, so hoch, wie er es letztmals wahrscheinlich als 20-jähriges Nesthäkchen getan hatte.

Quasi mit Abpfiff hatte jedoch Eusebio, der im WM-Halbfinale noch gegen Charltons Engländer verloren hatte, plötzlich die riesengroße Siegchance auf dem Fuß. Torhüter Alex Stepney parierte, weil er sich Eusebios Abschlussverhalten aus einem Freundschaftsspiel gemerkt hatte. Ausgerechnet eines dieser Freundschaftsspiele, die United erst wieder groß gemacht hatten.

In der Verlängerung von Wembley konnte sich Benfica einer gewissen Vorbestimmung schließlich nicht mehr in den Weg stellen. Mit einem noch schöneren Tor als seinem ersten besorgte Manchesters Kapitän, zehn lange Jahre nach dem Unglück, den 4:1-Endstand.

Als der Schlusspfiff ertönte, fiel Charlton sogar Best in die Arme. Jetzt hatte das Nesthäkchen, das zum Mann geworden war, wirklich alles erreicht. Das fleischgewordene Versprechen, es war eingehalten worden. Von all der Last des 6. Februar 1958 wurde aber nicht nur Charlton befreit. Nur Monate später ritt Trainer Busby in den Sonnenuntergang.

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08.11.2022 13:40
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1974, wer von euch kann sich noch erinnern?

ALS #SCHALKE EINEN WELTSTAR ABLEHNTE
Die “Bild” warnte deutsche Eltern, als Francisco Marinho zur WM 1974 in die Bundesrepublik reiste. Ob der Brasilianer der erste ausländische Superstar der Bundesliga werden sollte, ließ Schalke 04 später seine Fans entscheiden:
Weltmeisterschaft für Weltmeisterschaft - und warum sollte das 1974 in Deutschland anders gewesen sein - lassen diese irgendwie magisch anmutenden kanariengelben Trikots viele Fußball-Herzen noch mal ein kleines bisschen höher schlagen. Brasilien, die Selecao, höher kann Spielkunst nicht sein.
Diesen Ruf hatte nicht zuletzt die sagenhafte Weltmeister-Mannschaft von 1970 untermauert, von der vier Jahre später allerdings nicht mehr viel übrig geblieben war. Carlos Alberto fehlte verletzt, Pelé, Tostao oder Gerson waren nicht mehr dabei - und Rivelino und Jairzinho eben vier Jahre älter.
Auch das Joga Bonito, das schöne Spiel, hatten durchschnittliche Brasilianer wohl unterm Zuckerhut vergessen, was sie vor allem im brutalen Zwischenrunden-Spiel gegen die Niederlande bewiesen. Die Selecao 1974 - eine Enttäuschung.
Aber eine WM so ganz ohne spektakulären Brasilianer? Nein, das war unmöglich. Und man musste sie sich ja nur ansehen, um sofort einen aus der ziemlich uninspirierten Menge herauszupicken. Brasiliens WM-Star wurde 1974 nicht der beste, sondern der auffälligste Spieler des Turniers: Francisco das Chagas Marinho.
Die Namen Branco, Roberto Carlos oder Marcelo waren noch Zukunftsmusik, als der strohblonde und braun gebrannte Marinho das Erbe des Nilton Santos antrat. Die Selecao stellte mal wieder einen Linksverteidiger, dessen Stärken es nicht unbedingt in der Defensive zu suchen galt.
Die in Natal geborene “Kanone des Nordostens” war extrem schnell, ausdauernd und hatte einen fantastischen Schuss. Einzig bedenkliche Schwäche des 22-Jährigen: Zweikampfführung. Prost Mahlzeit. Seine sorglose Spielweise führte - natürlich samt seiner Optik - dennoch dazu, dass Marinho einer der Stars, besser gesagt eines der Gesichter dieser Weltmeisterschaft wurde.
In der Bundesrepublik der 1970er Jahre erfreute sich die Jugend am jungen Rebellen mit den langen blonden Haaren, dessen Star-Potenzial von den Medien sofort erkannt und auch schnell entfaltet wurde. Jungs wollten seine Frisur, Mädchen wollten ihn.
Es freuten sich aber längst nicht alle über Senkrechtstarter Marinho: Die manchmal etwas hüftsteife deutsche Öffentlichkeit schlug ob der berüchtigten Liebesgeschichten des Frauenhelden Alarm. “Mütter, holt eure Töchter von der Straße, der blonde Teufel ist in der Stadt”, titelte gar die “Bild”.
Der blonde Teufel hielt sich öffentlich allerdings zurück und spielte derweil ein gutes Turnier. Brasilien wurde immerhin relativ akzeptabler WM-Vierter und Marinho war trotz kanariengelber Sturmflaute Teil der Abwehrreihe, die von einigen Brasilianern bis heute als ihre beste bei Weltmeisterschaften angesehen wird.
Ansehen versprach sich auch Schalke-Präsident Günter “Oskar” Siebert von der nun weltbekannten Attraktion - im Frühjahr 1975 schmiedete er den Plan, Marinho nach Gelsenkirchen zu holen.
Mit seiner Vision, die unmittelbar mit einer siebenstelligen Ablösesumme zusammenhing, stand Siebert im emsigen Ruhrpott jedoch ziemlich alleine da. Trainer Ivica Horvat wollte Marinho nicht, der Verwaltungsrat berief sich auf ein gefährdetes Mannschaftsklima und sprach sich gegen den Millionen-Transfer aus. Schließlich sollten - per spektakulärer Zettel-Wahl - die Schalker Fans entscheiden.
Im Rahmen eines Heimspiels gegen die Bayern, vor dem der anwesende Marinho den “BRAVO”-Otto einer Popularitäts-Kategorie überreicht bekam, stimmten die königsblauen Anhänger also über den Kauf des Paradiesvogels ab - und darüber, ob sie damit einhergehend bereit wären, für den Star künftig höhere Eintrittspreise zu zahlen. Einen Marinho-Zuschlag. Solch ein Transfer finanziert sich schließlich nicht von selbst.
Ein wirkliches Ergebnis dieser Abstimmungen gab es allerdings nie: Die Mehrheit der Stimmzettel verschwand noch am selben Tag unter mysteriösen Umständen, der verbliebene Rest ergab “Ja” zum Marinho-Transfer, aber “Nein” zum Marinho-Zuschlag. Und da der Verwaltungsrat nochmals nachdrücklich den Kopf schüttelte und es darüber hinaus Fan-Petitionen gegen das transatlantische Luxusgut gab, lenkte Siebert schließlich zähneknirschend ein.
Marinho blieb also bei Botafogo in Rio, versuchte sich als Sänger und Schauspieler, tingelte weiter durch Brasilien und durch die US-Glitzerliga NASL, wo er mit Franz Beckenbauer in New York und Gerd Müller in Fort Lauderdale spielte - ohne seine Form von der WM 1974 je konstant zu bestätigen.
Im spätesten Karriere-Herbst kehrte der Wandervogel dann tatsächlich noch einmal an den Ort zurück, an dem er seine größten Wochen verlebt hatte: Deutschland.
Beim berühmt-berüchtigten BC Harlekin Augsburg, einem zum Scheitern verurteilten Kreisklassen-Projekt des lokalen Spielcasino-Moguls Peter Eiba - übrigens die erste Manager-Station des Armin Veh -, ließ der von seiner Alkoholsucht gezeichnete Marinho eine Laufbahn voller Aufs und Abs 1987/88 mehr schlecht als recht ausklingen.
Zum Ende hin lebte er in seiner Heimatstadt Natal nur noch in den Tag hinein. Die Leute dort verehrten ihn, sie waren aber keine Freunde, die ihm aus seiner Sucht halfen. Der “blonde Teufel” war noch stolz darauf, Teil der besten brasilianischen WM-Abwehr gewesen zu sein; stolz darauf, der einzige WM-Spieler gewesen zu sein, den Natal je hervorgebracht hat. Mehr war ihm nicht geblieben.
Als ein Wandervogel aus deutschen Landen, Lutz Pfannenstiel, den damaligen Botschafter Natals für eine Reportage vor der WM 2014 in Brasilien traf, bot die laut Pfannenstiel einstige “Mischung aus George Best und Günter Netzer - der authentischere David Beckham” ihm sein originales 1974er Trikot aus dem Spiel gegen die DDR zum Verkauf an. Marinho brauchte das Geld für Alkohol.
Er starb nur wenige Wochen vor dem ersten WM-Spiel, das jemals in Natal stattfand, mit gerade einmal 62 Jahren.

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10.07.2023 09:49
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WM 1982 in Spanien



1982: DER SCHÖNSTE ALLER TRÄUME
Mit der Idee, seine Spieler sich einfach nur entfalten zu lassen, wollte Tele Santana Brasilien 1982 zum Weltmeister machen. Seine legendäre Mannschaft erschien unaufhaltsam – bis sie auf ihr Gegenmittel stieß.
Ist es eigentlich genug, einfach nur zu gewinnen? Gut genug, würdig genug, erfüllend genug? Eine Frage, die sich im Fußball seit jeher stellt, vielleicht nirgendwo so sehr wie in Brasilien. Das Mutterland des Fußballs, das sind zwar andere, doch als Mutterland des schönen Fußballs verstehen sie sich unterm Zuckerhut schon selbst.
Natürlich machte sich also Unruhe breit, als auf den glorreichen Triumph bei der WM 1970 in Mexiko Jahre der Tristesse folgten, womit eben nicht nur Platz vier und drei bei den Weltturnieren 1974 und 1978 gemeint waren. Der brasilianische Fußball war uninspiriert, war grob, er hatte sich auf beängstigende Art und Weise verloren. Das schöne Spiel schrie nach einem Erlöser. Es wurde erhört.
“Wie seine Mannschaft spielte, das war ihm wichtiger als das Spiel an sich”, erinnert sich Junior, der zwar Linksverteidiger spielte, genauso gut aber hätte Spielmacher sein können, an Tele Santana. “Wenn jemand im Training ein Foul beging, nahm er ihn einfach vom Feld”, sagt Mittelstürmer Serginho über den Mann, der Brasilien wieder zu Brasilien machen sollte. Denn Fouls waren hässlich, und Brasilien spielte schön.
Als Santana die Selecao 1980 übernahm, versammelte er die besten Spieler des ganzen Landes, stellte sich vor sie und sagte nur: “Lernt euch auf dem Platz kennen.” Das brasilianische “Geht’s raus und spielt’s Fußball”. “Am Ende wussten wir genau, wo jeder auf dem Platz sein würde”, erzählt Zico, Ausnahmespieler jener Generation, der dieser Trainer samt seiner Idee wie auf den Leib geschnitten war. Blindes Verständnis.
“Tele wollte, dass wir kreativ sind, dass wir Spaß haben und dass wir Ergebnisse erzielen” – tatsächlich stand auch der Erfolg am Ende der Prioritätenliste. Der erschien sowieso unvermeidlich. Denn mit Zico von Flamengo spielte der größte Star des populärsten Teams aus Rio in dieser Mannschaft, mit Socrates von Corinthians der größte Star des populärsten Teams aus Sao Paulo, mit Toninho Cerezo von Atletico Mineiro der größte Star des populärsten Teams aus Minas Gerais und mit Falcao von Internacional Porto Alegre der größte Star des populärsten Teams aus Rio Grande do Sul. Was Santanas Selecao, wie sich der brasilianische Journalist Juca Kfouri lebhaft entsinnt, automatisch in ganz Brasilien beliebt machte.
1981 eroberte sie dann auch die Welt. Auf Europareise schlug Brasilien binnen einer Woche Engländer, Franzosen und Deutsche jeweils auf deren Boden – mit diesem träumerischen Bolzplatz-Stil, der den Unterlegenen ihre Niederlagen sogar beinahe noch schmackhaft machte. Diese Brasilianer konnte keiner schlagen, das galt weitgehend als Konsens. Die WM 1982 in Spanien hatte ihren Favoriten gefunden.
“Dieses Team war so gut, dass alle angreifen wollten. Nur Oscar und ich blieben hinten und riefen die anderen wieder zurück”, erinnert sich Innenverteidiger Luizinho, der als einer von wenigen Spielern in einer bestenfalls als 2-7-1 zu beschreibenden Formation eine feste Position hatte. Brasilianischer Totalfußball, Bolzplatz eben. “Wir spielen ähnlich wie die Holländer von 1974”, erklärte Trainer Santana vollmundig, “aber unsere Spieler sind talentierter und wir vergeben nicht so viele Chancen”.
Zico war der beste von ihnen, doch das Gesicht dieser Mannschaft war Socrates. “Für die WM hörte er sogar auf zu rauchen”, schmunzelt Ersterer über Letzteren. “Plötzlich trainierte er gut und verhielt sich so, wie sich ein Kapitän zu verhalten hatte.” Ganz besonders, als die Selecao in ihrem ersten Spiel gegen die Sowjetunion auf einmal zurücklag, weil Torwart und Schwachstelle Valdir Peres sich von einem harmlosen 30-Meter-Schuss hatte übertölpeln lassen.
“Selbst wenn wir zurücklagen, wollten wir nie hässlich gewinnen”, unterstrich Zico, und Socrates unterstrich das mit einem Traumtor in den Knick gleich noch mal. “Es war kein Tor, es war ein endloser Orgasmus”, fügte der “Doktor” allerdings an, nachdem Eders 2:1-Siegtreffer kurz vor Schluss sogar noch schöner gewesen war.
Socrates, der die meisten seiner Pässe mit der Hacke spielte, definierte das Spiel dieser Mannschaft einmal als “organisiertes Chaos”, was es wohl tatsächlich am besten beschreibt. Fantasiefußball, “Fußball in seiner reinsten Form” (Junior). Schottland wurde mit 4:1 geschlagen, Neuseeland mit 4:0. Alle stürmten, manche verteidigten. Auch eine ausgezeichnete Fitness durch die stets moderne brasilianische WM-Vorbereitung half. Die Schwachstellen im Tor (Peres) und auf der Position des Mittelstürmers (Serginho) halfen hingegen weniger.
Lediglich neun herausragende Brasilianer reichten aber auch im ersten Zwischenrundenspiel gegen Titelverteidiger Argentinien, in dem Eder einen Freistoß um die Ecke schoss, Zico durch eine Gasse passte, die es noch gar nicht gab und selbst Serginho traf, was Neuseeland in der Vorrunde als größte Demütigung empfunden hatte. Dann kam Italien. Das zweite und letzte Zwischenrundenspiel. Aufgrund des Torverhältnisses hätte der Selecao gegen bis dato wenig überzeugende Azzurri auch ein Unentschieden für den Halbfinaleinzug gereicht. An diesem 5. Juli 1982 in Barcelona würde die Reise nicht zu Ende gehen.
Schon nach fünf Minuten traf Paolo Rossi, der zuvor noch jedes Scheunentor verfehlt und dessen erneute Aufstellung wahrscheinlich keiner mehr verstanden hatte. Doch zurückgelegen hatten die Brasilianer ja auch gegen die Sowjetunion und Schottland, in Panik geriet in Kanariengelb niemand. In spielerische Verlegenheit schon gar nicht. Auch wenn Holzfuß Serginho die größte aller Chancen vergab. Sekunden später schufen Zico und Socrates einen Ausgleich, der selbst Claudio Gentiles Fesseln erbarmungsloser Manndeckung einen Moment lang wie von Zauberhand verpuffen ließ.
Es war so schön, so wunderschön. Zu schön. Zu frei. Zu leichtsinnig. Der Bolzplatz wurde zum Käfig. Die Fesseln zogen sich enger. Fesseln der Geduld, Fesseln der Organisation, Fesseln als Mittel, die nur ein solch zynischer Zweck heiligen konnte. Es war auch eine Glaubensfrage, die in Sarria beantwortet wurde.
All die Freiheit, die Spontanität, die Schönheit, sie war das, was Tele Santana am wichtigsten war. Seine Regeln. Doch er schrieb die Regeln dieses Spiels nicht, das seiner Selecao immer mehr entglitt. Wie ein dunkler Schatten erhob sich die Macht des Systems über Zico, über Socrates, über Cerezo, der einen fatalen Querpass spielte und wusste, dass ihn Torhüter Peres nicht retten würde.
Brasilien ging Italien ins Netz, der Pragmatismus obsiegte über die Fantasie. “Gioco all’italiana” nannte es sich, das italienische Spiel. Einhergehend mit einer Leistungssteigerung von Azzurri, die sich nicht durchmogelten, so romantisch diese Vorstellung auch gewesen wäre. Sie zelebrierten die Kombination aus Raum- und Manndeckung, die Symbiose von Einfachheit und Effizienz, das Wechselspiel zwischen Mauerbau und Kontersturm. Und alles sorgfältig einstudiert. Das System. Das gegenwärtig schon aus der Zeit gefallen war, wie Juve ein Jahr später im Landesmeister-Finale gegen Happels HSV erfuhr.
Doch Santanas Selecao entstammte der Vergangenheit, sie schickte die letzten Gesandten der Schönheit, andere sagen der Naivität. Teles Eleven, das All-Star-Team einer ausgestorbenen Spielidee, an diesem Tag gegen diese Italiener zum Scheitern verurteilt. “Wir wussten, dass uns ein Unentschieden reichte”, hadert Serginho. “Aber manche Leute” – und sich selbst konnte er nicht meinen – “wollten einfach eine Show liefern. Das 2:2 war der Moment, in dem wir einfach Ruhe geben und verteidigen hätten müssen.” Aber sie lernten es auch nach Falcaos Fernschuss nicht, der schon einem Akt der Verzweiflung nahekam. Und trotzdem Tor.
“Ich glaube einfach, dass diese Gruppe von Spielern auf keine andere Weise hätte spielen können”, sagt Zico. “Ich glaube, dass wir von den Trainern bis zu den Spielern nicht demütig genug waren”, sagt Luizinho. “Zu viele Leute wollten dieses Spiel gewinnen.” Denn ein Unentschieden kann doch kein Sieg sein. Vollgas. Nach vorne. Ins offene Messer. Die nächste Nachlässigkeit nutzte Rossi zum 3:2, für Brasilien änderte sich irgendwie nichts. Plan A.
Socrates traf noch aus dem Abseits, Oscar köpfte den Ball auf die Linie, wo ihn ein 40 Jahre alter Teufelskerl namens Dino Zoff an sich zog. Doch selbst wenn Brasilien das 3:3 geschossen hätte, wäre wohl bald darauf das 3:4 gefallen.
Jäh sorgte eine Trillerpfeife für das Ende der Romantik, plötzlich löste sich der Schleier in Luft auf. Und lag dennoch schwer über einem einst schönen Spiel. “Es ist unmöglich, die Welt zu verstehen: Brasilien ist ausgeschieden”, titelte eine spanische Zeitung. Dabei konnte man es verstehen, man wollte nur nicht.
Als sich Santana in den Katakomben von Sarria über 300 Journalisten stellte, ehrten sie den Anführer des guten Glaubens mit stehenden Ovationen. In der Ferne hört man sie noch heute, Jahrzehnte später. “Dabei kamen wir nicht mal bis ins Halbfinale”, merkt Eder an. Denn auch in Brasilien ist einfach nur gewinnen manchmal genug. Oder es ist nur genug, wenn man gewinnt. Santana gewann nicht. Der schönste aller Träume war ausgeträumt.
“Dieses Spiel veränderte nicht nur den brasilianischen Fußball, es veränderte den Weltfußball”, murmelt Eder mit einem Unterton schwerwiegender Melancholie. “Wenn wir gewonnen hätten, hätten sich andere Mannschaften an unserem Stil orientiert. Aber weil Italien gewonnen hat, kopierten alle Italien”, bilanziert Junior weitaus nüchterner. Weitaus italienischer, gewissermaßen.
Weil sie nicht Weltmeister geworden war, auch 1986 nicht, “kostete uns diese Mannschaft das schöne Spiel”, stellte Journalist Kfouri einmal fest. “Danach spielten wir ergebnisorientierten Turnierfußball.” Tragische Helden als mahnendes Beispiel. Paulo Cesar Caju, der im großen Stil von einst 1970 noch triumphiert hatte, bringt das besonders drastisch zum Ausdruck: “Ich unterstütze Brasilien schon seit Jahren nicht mehr. Die Philosophie ist zu pragmatisch. Ist doch egal, dass wir 1982 verloren haben, über die Mannschaft von 1994 redet schließlich niemand mehr.”
Als die Selecao 1994 nach 24 Jahren Dürre wieder Weltmeister wurde, war außer den kanariengelben Trikots nicht mehr viel geblieben. Die Abwehr kam zuerst, vorsichtig organisiert. Eng am Mann, sorgfältig im Raum verteilt. 4-4-2, defensiv. Kapitän Dunga war ein Zyniker, nicht Aktion, sondern Reaktion der Schlüssel zum Erfolg. Was von der Ära Socrates noch übrig war, war dessen kleiner Bruder Rai. Ein Freigeist, eine Identifikationsfigur, Rückennummer 10. Für Balance und Erfolg, eine Sicherheitsmaßnahme nach der Gruppenphase, flog er aus dem Team.

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10.08.2023 12:50
#9
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Angel di Maria, Argentinien

Ich erinnere mich, dass ich den Brief von Real Madrid bekommen habe und ihn zerrissen habe, bevor ich ihn überhaupt geöffnet habe
Es war der Morgen des Weltmeisterschaftsfinals 2014, genau um 11 Uhr, und ich saß auf dem Trainertisch und bekam gerade eine Spritze in mein Bein. Ich hatte mir im Viertelfinale den Oberschenkelmuskel zerrissen, aber mit Schmerzmittel konnte ich laufen ohne etwas zu spüren. Ich habe unseren Trainern genau diese Worte gesagt: "Wenn ich breche, dann lass mich weiter brechen. Ist mir egal. Ich will einfach nur spielen können. "
Also legte ich Eis auf mein Bein, als unser Teamarzt Daniel Martínez in den Raum kam und diesen Umschlag hielt, und er sagte: "Schau, Ángel, dieses Papier kam von Real Madrid. "
Ich fragte: "Wovon redest du? "
Er sagte: "Nun, sie sagen, dass du nicht in der Verfassung bist, zu spielen. Sie zwingen uns also, dich heute nicht spielen zu lassen. "
Ich wusste sofort, was passiert. Jeder hatte die Gerüchte gehört, dass Real James Rodríguez nach der Weltmeisterschaft unter Vertrag nehmen wollte, und ich wusste, dass sie mich verkaufen würden, um Platz für ihn zu schaffen. Sie wollten also nicht, dass ihr Vermögen beschädigt wird. So einfach war es. Das ist das Geschäft des Fußballs, das die Leute nicht immer sehen.
Ich habe Daniel gesagt, er soll mir den Brief geben. Ich habe es nicht einmal geöffnet. Ich riss es einfach in Stücke und sagte: "Wirf es weg. Derjenige, der hier entscheidet, bin ich. "
Ich hatte in der Nacht davor nicht viel geschlafen. Ein Teil des Grunds war, dass die brasilianischen Fans die ganze Nacht vor unserem Hotel riesiges Feuerwerk gezündet haben, aber selbst wenn es ganz ruhig gewesen wäre, hätte ich glaube nicht schlafen können. Es ist unmöglich, das Gefühl zu erklären, das man in der Nacht vor einem WM-Finale hat, wenn alles, wovon man je geträumt hat, direkt vor Ihren Augen liegt.
Ich wollte wirklich an diesem Tag spielen, auch wenn er meine Karriere beendet hat. Aber auch ich wollte es für unser Team nicht kompliziert machen. Also bin ich an diesem Morgen früh aufgestanden und zu unserem Manager, Herrn Sabella, gegangen. Wir hatten eine sehr enge Beziehung, also wenn ich ihm sagen würde, dass ich anfangen wollte, wusste ich, dass er den Druck fühlen würde, mich hineinzusetzen. Ich sagte ihm aufrichtig, mit meiner Hand auf meinem Herzen, dass er den Spieler einstecken sollte, den er einstecken musste.
Ich sagte: "Wenn ich es bin, dann bin ich es. Wenn es ein anderer ist, dann ist es ein anderer. Ich will nur die WM gewinnen wenn ihr mich ruft spiele ich bis ich breche "
Und dann fing ich an zu weinen. Ich konnte es nicht lassen. Der Moment hatte mich überwältigt.
Als wir unser Teamgespräch vor dem Spiel hatten, gab Sabella bekannt, dass Enzo Pérez starten würde, weil er 100% gesund war. Ich hatte Frieden mit dieser Entscheidung. Ich habe mir vor dem Spiel und nochmal in der zweiten Halbzeit eine Spritze gegönnt, damit ich spielbereit wäre, wenn ich von der Bank gerufen würde.
Aber der Anruf kam nie. Wir haben die WM verloren und ich konnte nichts kontrollieren. Es war der schwierigste Tag meines Lebens. Nach dem Spiel sagten die Medien hässliche Dinge darüber, warum ich nicht gespielt habe. Aber was ich dir sage ist die absolute Wahrheit.
Was mich immer noch verfolgt, ist der Moment, als ich mit Sabella sprechen ging und vor ihm in Tränen zusammenbrach. Weil ich mich immer fragen werde, ob er dachte, dass ich weine, weil ich nervös war.
In Wahrheit hatte es nichts mit Nerven zu tun. Ich wurde von Emotionen überwältigt, weil mir der Moment bedeutete. Wir waren so nah dran, den unmöglichen Traum zu verwirklichen.
Angel Di Maria
♠️8 Jahre später, in einer sternenklaren Nacht in Lusail, erfüllte Angel di Maria sein Schicksal✨

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17.09.2023 11:25
#10
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WM 1990 in Italien, Lodddar Maddääus


Lothar Matthäus: „Das Geheimnis in Italien 90 war, dass wir die Lektion von 86 gelernt haben. Wir haben gemerkt, oder naja, Franz Beckenbauer hat gemerkt, dass es um zu gewinnen, über Talent hinaus wichtig war, als Team zu funktionieren und eine gute Atmosphäre zu haben. Das Beste, was er getan hat, war, dass er uns Zeit für uns selbst haben ließ. Bei der Konzentration ging es nicht nur um Fußball, Treffen oder technische Gespräche. An vielen Abenden lautete seine Anweisung: „Geht raus, geht spazieren, reinigt euer Gehirn, lasst den ganzen Druck von euch los, vergesst den Fußball.“ Und natürlich konnte ich das machen, weil wir auswendig gespielt haben. Wir alle verzichten darauf, Stars zu sein."

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